Die Augsburger Puppenkiste – entstanden aus schlaraffischen Wurzeln
Schlaraffia® wurde 1859 vor allem von darstellenden Künstlern gegründet, und auch heute ist es deshalb ein Glücksfall für diesen Bund, wenn sich ein Reych wesentlich im Zusammenwirken mit den Theaterbühnen belebt. Eines dieser Schlaraffenreyche ist die »Augusta Vindelicorum« in Augsburg, und sehr viele Leser waren bereits ihrem schlaraffischen Einfluss ausgesetzt, meist aber noch ohne von Schlaraffia® zu wissen.
Walter Oehmichen war als Schauspieler und Regisseur eingefleischter Mann des Theaters und suchte nach Ende des Zweiten Weltkriegs sein Publikum. Die dem Theater fehlenden Möglichkeiten ließen ihn und seine Familie den Weg in den Bereich des Marionettentheaters finden und in Augsburg seine Puppenkiste gründen, die zunächst lokal auf begeisterte Zuschauer traf, ohne dass er seine Theaterambitionen einschränken wollte und musste. Es war kein Wunder, dass er zum Schlaraffenreych »Augusta Vindelicorum« fand, wo er auf Ritter Spalanzani, den Intendanten des Stadttheaters, und viele seiner Schauspielkollegen traf, die dort ihr kreatives Spiel betrieben. Aus dem profanen Walter Oehmichen wurde dann Ritter Mago der Puppenspäler, der seine Spielrolle mit seinem aristokratischen Flair bekleidete.
Von Anfang an verstand sich seine »Augsburger Puppenkiste« nicht einzig als Kindertheater, das sein junges Publikum angstfrei und ohne erhobenen Zeigefinger unterhielt, sondern Ritter Mago machte sein Marionettentheater auch für Erwachsene. Auch heute noch bietet das Puppentheater gut gemachtes Kabarett, und legendär sind seine Aufführungen von Theaterklassikern, von denen an dieser Stelle zunächst Bertolt Brechts »Dreigroschenoper« erwähnt sei. Man bedenke, dass Brecht als großer Sohn der Stadt Augsburg zu jener 16 Zeit daselbst nicht sonderlich hoch geachtet war. Auch Mozarts »Die Zauberflöte« wurde mit Marionetten aufgeführt und genoss hohen Zuspruch.
Auf jeden Fall ist zu erwähnen, dass in den Aufführungen der »Augsburger Puppenkiste« sämtliche Rollen von Menschen gesprochen und gesungen werden und Playback verpönt ist. Außerdem hat Schlaraffia® durch die dort zu Gehör gebrachten Arrangements und Kompositionen großen Anteil am Erfolg dieses Marionettentheaters. Seien es die Melodien, oder sei es deren typische schräge Instrumentierung – auch der musikalische Anteil am Puppenspiel stammt aus der Feder von Schlaraffen. Dies schlägt sich heute sogar in der FußballBundesliga nieder, denn die Fans des FC Augsburg stimmen nach jedem eigenen Tor die aus »Jim Knopf« bekannte Melodie »Eine Insel mit zwei Bergen« an.
Bundesweite Bekanntheit erlangte die »Augsburger Puppenkiste« durch ihre Fernsehproduktionen, die seit 1953 vom Hessischen Rundfunkt ausgestrahlt wurden, angefangen mit »Kater Mikesch«. Gerade die Produktionen »Jim Knopf« und »Urmel« sind prägende Kindheitserinnerungen für viele jung Gebliebene, und das Skript zu »Don Blech und der goldene Junker« weist sogar ausgeprägte schlaraffische Bezüge auf. Diese Blütezeit ist nicht denkbar ohne den Einsatz von Ritter Magos Schwiegersohn, der über entsprechende Verbindungen zum Fernsehen verfügte. Er, profan Hanns-Joachim Marschall, wurde fast selbstverständlich als Ritter Magoletto der Spielkreuzritter selbst Schlaraffe und lenkte in großem Maße das Spiel der Augusta Vindelicorum. Ritter Mago und Ritter Magoletto übten sich im Theater wie in der Schlaraffia® in kreativem Zusammenspiel und trieben regelmäßig Tränen des Lachens in die Augen der Anwesenden.
Auch heute noch sind etliche Mitglieder des heutigen Staatstheaters in der Augusta Vindelicorum aktiv, und der Augsburger Puppenkiste wird dort in der jährlichen Puppenkistensippung Reverenz erwiesen. Die verstorbenen Ritter Mago und Magoletto sind heute Ehrenschlaraffen ihres Reyches. Besonderer Dank des Verfassers gilt Ritter Olalori, der als persönlicher Freund der Familien Oehmichen und Marschall wertvolles Material für diesen Artikel geliefert hat.
M.S.
